Erwachsen werden ist schwierig. Könnt ihr euch noch an eure Teenager-Zeit erinnern? Alle Gefühle sind so intensiv. Man hat vielleicht Dinge gemacht, die man 10 Minuten später nicht mehr wirklich erklären kann.
Genauso ist das auch für Hunde. In der Pubertät ist das Hirn eures Vierbeiners im Umbau. Es zieht dann eine große Nebelschwade dort vorbei, wo früher Signale und Aufmerksamkeit gelagert waren.
„Kein Anschluss unter dieser Nummer“: Das konnten wir oft in Deas Blick lesen!
Bei Hunden dauert diese Zeit wenigstens nicht ganz so lange wie bei uns Menschen: Sie beginnt mit dem Zahnwechsel um den 6. Monat herum. Die erste, intensive Phase der Pubertät geht bis zur Geschlechtsreife. Danach gibt es ein Auf und Ab bis euer Hund erwachsen ist. Je nach Rasse und Größe also bis er ca. 2-3 Jahre alt ist.
Was neurobiologisch genau im Hirn passiert, ist in diesem Artikel toll erklärt: Pubertät – Gehirn wegen Umbaumaßnahmen geschlossen. Es verändern sich einige Bereiche des Hirns und es gibt für jedes Verhalten eine Erklärung, die nichts mit Dominanz oder Rangordnung zu tun hat.
Folgendes kann passieren:
Kurzum: Alles, was so allgemein als „braves“ Verhalten bezeichnet wird, kann für den Hund schwieriger sein als sonst. Dabei meint er es gar nicht böse – er kann einfach nicht anders!
Das passende Mantra: Mein Hund ärgert mich nicht absichtlich.
Ein pubertierender Hund ist ein Überraschungsei. Es kann alles schwieriger werden oder alles gut bleiben. Wir haben auch oft gehört: „Pubertät? Nein, bei unserem Hund ist uns das gar nicht aufgefallen..“ (Die Glücklichen!)
Dea war gerade mit 14 Monaten zum ersten Mal läufig. Pubertiert hat sie ca. seit sie 6 Monate alt war – mal mehr, mal weniger. Meistens mehr. Es liegen also 8 Monate Hormonchaos hinter uns. Und zugegeben: Auch einige Phasen der Verzweiflung.
Vom Erwachsen-Sein ist sie zwar noch weit entfernt, aber sie hat nach der ersten Läufigkeit einen richtig großen Sprung in ihrer Entwicklung gemacht und sie ist jetzt wieder mehr sie selbst.
Dea hat die Pubertät ziemlich hart erwischt. Sie war während der letzten Monate sehr oft verwirrt, abwesend, abgelenkt und ungeschickt. Manchmal hatten wir das Gefühl, es sogar in ihrem Blick zu sehen: War er klar und aufmerksam, hatte sie einen guten Tag. Wenn es aussah, als hätte sie einen Schleier vor den Augen verbrachte sie ihren Tag quasi im Narrenkastl.
Sie konnte sich dann auf nichts länger konzentrieren und schon gar nicht irgendwelche neuen Abläufe verstehen. Mal kamen Signale in ihrem Hirn an, mal nicht. („Was ist dieses „Sitz“, von dem du da sprichst? Ist das was zu Essen? Noch nie gehört.“) Manchmal brauchte Dea einfach länger um sie verarbeiten zu können. Sie lief sogar öfter mal gedankenverloren gegen einen Türrahmen!
Im Alltag gemeinsam zu Hause war das alles eigentlich halb so wild. Mit ein bisschen Verständnis, Humor und Management kann man solche Aussetzer gut umschiffen. Dass Schimpfen und Sich ärgern der falsche Weg ist, ist ja eigentlich klar – denn sie konnte ja nicht anders.
Trotzdem haben wir uns selbst verboten, Videos von gleichaltrigen Hunden auf Instagram anzusehen, die viel klarer im Kopf waren. Vergleichen macht einfach unglücklich! Wenn wir hundesportliche Ambitionen hätten, wäre diese la-a-a-ange verwirrte Phase sicher ein Stolperstein gewesen.
Wir haben uns bemüht, uns noch mehr auf die schönen Momente zu konzentrieren, die wir miteinander verbracht haben.
Wer jetzt glaubt, wir wären während Deas Pubertät vollkommen entspannt gewesen: Nein, das waren wir wirklich nicht. Es gab einige Baustellen, die uns viele Nerven gekostet haben! Die Highlights:
An der kurzen Leine ruhig von A nach B zu gehen war für Dea in den letzten Monaten meistens ein Ding der Unmöglichkeit.
Es hing definitiv mit ihrer Tagesverfassung zusammen: Während für Dea manchmal schon 20m Feldweg an der kurzen Leine eine Herausforderung waren, ging sie an anderen Tagen gemütlich mit dem Herrli mitten in der Stadt in Wien eine Runde um den Block.
Meistens brauchte Dea einfach mehr Platz, als ihr eine 2m Leine geben konnte. Die Umweltreize waren zu spannend, die Belohnungen nie gut genug, ihre Beinchen zu energiegeladen. Sie wollte überall hin, und zwar gleichzeitig. Fühlte sich vielleicht nicht ganz wohl in ihrer Haut. Und wer war nochmal das Herrli? Kenn ich nicht, interessiert mich nicht. Frust. SO VIEL FRUST. Wie wär’s mit ein bisschen Bellen?
Wir waren also draußen zu 90% mit ihr an der Schleppleine unterwegs. Sobald sie sich nicht mehr so eingeschränkt fühlte, war sie sichtlich entspannt und wir konnten viel besser gemeinsam spazieren gehen. Auf ihre Interessen einzugehen (laufen, schnüffeln, laufen und.. laufen) und nicht gegen sie zu arbeiten war wirklich wichtig.
Die 10% an der kurzen Leine waren hauptsächlich Training und Situationen, in denen eine lange Leine einfach platztechnisch nicht passt. Wir haben mit ihr teils wie mit einem Welpen trainiert: An ganz langweiligen Orten, viel locken und loben. Belohnungslevel: Maximum.
Aber ja, es gab Situationen, da hat das Mantra (Mein Hund ärgert mich nicht absichtlich!) einfach nicht mehr funktioniert. Manchmal hat man einfach keine Geduld mehr für einen Hund, der kopflos und ohne richtiges Ziel in die Leine brettert. Verständnis für Hormone und Nebelschwaden im Hirn zum Trotz. Ein Zeichen dafür, dass Hund und Mensch eine Pause nötig haben. Diese Pausen haben bei uns meist einige Tage gedauert, in denen wir nur schöne Dinge gemeinsam unternommen haben.
Dea hat übrigens nicht vergessen, wie das so geht mit der Leine. Jetzt nach der Läufigkeit hat sich das Thema zu 1.000% entspannt. Ja – tatsächlich von einem Tag auf den anderen. Das war für uns eindeutig der Beweis, dass unser Training vor und während der Pubertät nicht umsonst war.
Dea findet Hunde unglaublich aufregend. Während sie als Welpe in jeder Umgebung und immer gechillt war, wurden Hunde für sie in der Pubertät zum Stressfaktor.
War es zu Beginn nur überschwängliche Freude, schlug das bei ihr schnell in Frust um, nicht zum anderen Hund hin zu dürfen. Sie lernte, dass Bellen ihr vermeintlich hilft: Der Hund geht weg (was er sowieso getan hätte), und damit auch der Frust.
An Tagen, an denen Dea nicht schon mit sich selbst überfordert war haben wir mit und ohne Trainer viel geübt. Mittlerweile ist Dea zu Beginn einer Begegnung zwar immer noch aufgeregt, „kippt“ aber nicht. Sie kann sich gut beruhigen und Leckerlis annehmen, ist dann wieder ansprechbar und hat nicht mehr so einen Stress. Social Walks (Begegnungstraining mit anderen Hunden auf einem gemeinsamen Spaziergang) kann sie nach dem ersten empörten Bellen prima mitgehen.
Sie merkt dann auch für sich selbst: „Okay, ist gar nicht so schlimm!“ und sammelt jetzt wieder positivere Erfahrungen. Das hat auch sicher damit zu tun, dass sie den Frust jetzt weniger intensiv spürt als während des Hormonchaos.
Bei eurem Hund kann das natürlich ganz anders ablaufen als bei uns und Dea. Aber vielleicht helfen euch unsere Erfahrungen dabei, die Pubertät selbst entspannter zu sehen.
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